Wenn Futter nicht wirkt: 
Die wahren Ursachen von Mangelwerten erkennen

In meiner Arbeit als Pferdeernährungsberaterin begegnet mir immer wieder dasselbe Muster: Ein Blutwert zeigt einen Mangel – und sofort wird ein Präparat zugefüttert. Meist, ohne zu hinterfragen, woher dieser Mangel überhaupt kommt. Viele dieser Produkte enthalten unnötige Füllstoffe oder synthetische Zusätze, sind schlecht verwertbar oder werden zusätzlich zu einem bereits vollständigen Mineralfutter gegeben. Und dann wundert man sich, warum die Werte trotzdem nicht steigen – oder das Pferd weiterhin unter Muskelverspannungen, Hautproblemen oder anderen Beschwerden leidet.

Doch genau das ist kein Einzelfall. Es zeigt: Einfach etwas dazuzugeben reicht nicht. Wie soll ein Körper etwas aufnehmen, wenn es schon im Übermaß vorhanden ist – oder gar nicht richtig verarbeitet werden kann? Besonders kritisch ist das bei fettlöslichen Vitaminen wie Vitamin E. Diese werden im Körperfett, in der Muskulatur und in geringer Menge auch in der Leber gespeichert. Sind diese Speicher voll, bleibt für andere Mikronährstoffe kein Platz. Man kann es sich vorstellen wie einen Bus: Jeder Nährstoff will mitfahren – aber wenn einer zu viele Plätze belegt, müssen andere draußen bleiben. Das System gerät aus dem Gleichgewicht.

Ein Fall aus meiner Praxis zeigt, wie komplex solche Situationen sein können:
Ein Pferd hatte im Blutbild einen Vitamin-E-Mangel, gleichzeitig waren die Leberwerte GGT (Gamma-Glutamyltransferase) und LDH (Laktatdehydrogenase) deutlich erhöht – Marker für Zell- und Leberbelastung. GGT ist leberspezifisch und weist bei erhöhtem Wert oft auf eine gestörte Entgiftungsleistung oder einen blockierten Gallenfluss hin. LDH deutet auf zellulären Stress hin, insbesondere in Muskulatur oder Lebergewebe.

Der Tierarzt verordnete ein Vitamin-E-Präparat – zusätzlich zum bestehenden Mineralfutter. Zwei Monate später war der Vitamin-E-Wert zwar gestiegen, lag aber weiterhin am unteren Rand des Referenzbereichs. Muskelprobleme zeigten sich keine, dafür jedoch Hautveränderungen: talgige Pickel, wiederkehrende Pusteln. Außerdem bestand eine Diagnose auf Equines Asthma – ein weiteres Signal für überlastete Entgiftungsorgane wie Lunge und Haut. Die Leber – das zentrale Entgiftungsorgan – war durch Fütterung und Medikamente offensichtlich überfordert.

Deshalb empfahl ich, sowohl das Vitamin-E-Präparat als auch das Mineralfutter vorübergehend abzusetzen. Die Speicher waren vermutlich voll – das Problem lag nicht in der Menge, sondern in der Verwertung. Was die Leber brauchte, war Entlastung – kombiniert mit gezielter Unterstützung.

Vitamin E ist ein fettlösliches Antioxidans, das freie Radikale bindet und Zellen schützt – vor allem Muskel- und Nervenzellen. Doch es wirkt nur, wenn es auch aufgenommen werden kann. Und dafür braucht es eine funktionierende Fettverdauung. Entscheidend ist der Gallenfluss: Gallensäuren emulgieren Fette und machen Vitamin E überhaupt erst verfügbar. Wird zu wenig Galle gebildet – etwa bei Leberstress, einseitiger Fütterung oder Medikamentenbelastung – sinkt die Aufnahme drastisch, selbst wenn Vitamin E ausreichend im Futter enthalten ist.

Pferde haben keine Gallenblase, ihre Leber produziert jedoch kontinuierlich Galle. Ist dieser Fluss gestört, bleibt das Vitamin wirkungslos – unabhängig von Dosis oder Qualität. Genauso wichtig wie eine gute Fettverdauung ist die Eiweißversorgung. Fehlen essentielle Aminosäuren, fehlen nicht nur Baustoffe, sondern auch der Antrieb: für Zellregeneration, Hormonstoffwechsel, Immunsystem. Eine dauerhaft eiweißarme Fütterung – etwa durch bedampftes Heu oder abgefressene Weiden – schwächt den Stoffwechsel massiv. Auch die Leber kann dann nicht mehr leisten, was sie sollte.

In solchen Fällen braucht es keinen weiteren Zusatz, sondern einen ganzheitlichen Blick: auf Leberfunktion, Gallenfluss, Darmflora – und auch auf Umweltfaktoren. Belastungen durch verschmutztes Heu, schlechtes Einstreu, Tränken aus Mörtelkübeln oder Pflanzenschutzmittel wirken im Stillen – aber sie wirken. (Dazu folgt bald ein eigener Beitrag.)

Auch bei Vitamin E lohnt sich der Blick auf natürliche Quellen. Viele Pflanzen liefern bioverfügbare, begleitstoffreiche Varianten: überständige Gräser, Ölsaaten, Nüsse, Luzerne, Esparsette, Hafer – sie enthalten Vitamin E.

Das betroffene Pferd wurde mit sekundären Pflanzenstoffen unterstützt, die die Leber unterstüzen und den Stoffwechsel anregen. Ein Toxinbinder half dabei, Schadstoffe im Verdauungstrakt zu binden und die Leber weiter zu entlasten. Gleichzeitig wurde auf eine bedarfsgerechte Eiweißversorgung geachtet. Vitamin E wurde natürlich ergänzt – denn die Wiesen waren bereits abgefressen.

In meiner Beratung geht es darum, Zusammenhänge zu erkennen und Ursachen zu verstehen. Wenn du das Gefühl hast, dein Pferd braucht Unterstützung – oder du dir nicht sicher bist, ob die Fütterung wirklich passt: Melde dich gern. Ich begleite dich mit fundierter Futter- und Stoffwechselberatung – ganzheitlich, praxisnah und mit klarem Blick fürs Wesentliche.

Denn echte Gesundheit beginnt nicht mit dem nächsten Produkt – sondern mit dem Verständnis für das, was dein Pferd wirklich braucht.


 

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