Starkes Immunsystem durch gesunden Darm
Wie sich das Darmmikrobiom auf das Immunsystem deines Pferdes auswirkt
Der Darm deines Pferdes ist viel mehr als nur ein Ort der Verdauung. Er ist das Zentrum seines Immunsystems – ca. 70%-80 % aller Immunzellen sitzen dort. Ist das Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht geraten, leidet nicht nur die Verdauung, sondern der gesamte Organismus. Eine sogenannte Dysbiose – also das Ungleichgewicht der „guten“ und „schlechten“ Mikroorganismen im Darm – schwächt die Abwehrkräfte, stört die Nährstoffverwertung und erhöht die Belastung durch Toxine.
Normalerweise arbeiten Milliarden Mikroben im Darm deines Pferdes als eingespieltes Team. Sie helfen bei der Verdauung, produzieren Vitamine und halten krankmachende Keime in Schach. Bei einer Dysbiose verschiebt sich dieses Gleichgewicht: Schädliche Bakterien und Pilze gewinnen die Oberhand, während die nützlichen Mikroorganismen zurückgedrängt werden. Die Folge: Der Darm wird durchlässig, das Immunsystem gerät unter Dauerstress – und das zeigt sich an vielen Stellen im Körper.
Im Darm eines Pferdes befindet sich ein hochspezialisiertes Abwehrsystem: das darmassoziierte lymphatische Gewebe, kurz GALT (englisch: Gut-Associated Lymphoid Tissue). Es liegt direkt unter der Darmschleimhaut und übernimmt eine zentrale Rolle im Immunsystem. Seine Hauptaufgabe besteht darin, alles zu überwachen, was durch den Darm gelangt – vom harmlosen Nährstoff bis zum potenziellen Krankheitserreger. GALT entscheidet, ob eine Immunreaktion notwendig ist oder nicht. Damit dieses System korrekt funktioniert, muss die Darmbarriere intakt sein. Genau hier kommen die sogenannten Tight Junctions ins Spiel - kleine Verbindungsstellen.
Man kann sich den Darm wie eine Grenze vorstellen: Auf der einen Seite befinden sich Futterbestandteile, Bakterien und Viren – auf der anderen Seite das Blut und damit der gesamte Organismus des Pferdes. Zwischen diesen beiden Bereichen liegt die Darmschleimhaut. Dort agiert das GALT wie ein aufmerksamer Grenzposten. Während das Futter im Verdauungsprozess in kleinste Bestandteile zerlegt wird – etwa Zucker, Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe – gelangen diese durch die Darmwand ins Blut und versorgen den Körper. Dabei kontrolliert das GALT kontinuierlich, ob schädliche Substanzen dabei sind. Unbedenkliche Bestandteile werden toleriert, gefährliche Eindringlinge erkannt und eine gezielte Immunantwort eingeleitet.
Entscheidend für diese Schutzfunktion ist ein vielfältiges Darmmikrobiom. Tight Junctions sind winzige Verbindungsstellen zwischen den Darmzellen, die wie eine Art Versiegelung wirken. Sie sorgen dafür, dass keine unerwünschten Stoffe oder Krankheitserreger unkontrolliert in den Blutkreislauf gelangen. Wird das Gleichgewicht im Darm gestört – etwa durch eine Dysbiose, also ein Ungleichgewicht der Darmflora – verlieren die Tight Junctions ihre Dichtigkeit. Der Darm wird durchlässig, es entsteht ein sogenannter „Leaky Gut“. In diesem Zustand können Schadstoffe und Mikroben ungehindert ins Gewebe eindringen, was das GALT in ständige Alarmbereitschaft versetzt. Die Folge: chronische Entzündungen, Allergien oder sogar Autoimmunreaktionen.
Zusammen bilden GALT und Tight Junctions eine fein abgestimmte Schutzbarriere, die für die Gesundheit des Pferdes entscheidend ist. Nur wenn beide Systeme stabil und funktionstüchtig sind, kann der Darm seine Rolle als Schutz-, Nährstoff- und Immunkontrollzentrum optimal erfüllen. Ein funktionstüchtiger Darm stellt eine zentrale Schnittstelle zwischen Nährstoffaufnahme, Immunabwehr und Infektionsschutz dar – und ist somit essenziell für die Gesundheit des Pferdes.
Eine Dysbiose bleibt oft lange unerkannt – und genau das macht sie so tückisch. Denn die Beschwerden, die sie auslöst, sind selten eindeutig. Die Symptome können diffus, wechselhaft oder scheinbar „normal“ wirken – gerade bei chronischen oder unspezifischen Problemen wird der Darm als Ursache oft übersehen.
Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, lohnt es sich, zwischen primären und sekundären Symptomen zu unterscheiden:
Primäre Symptome. Diese Anzeichen entstehen unmittelbar durch die gestörte Darmflora und betreffen die Verdauung selbst. Sie sind oft der erste Hinweis darauf, dass im Mikrobiom etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist:
- Weicher Kot, Kotwasser oder Durchfall
- Blähungen, vermehrte Gasbildung
- Übel riechender Kot (sauer oder ammoniakhaltig)
- Fressunlust oder plötzlich verändertes Fressverhalten
- Wiederkehrende Koliken – scheinbar ohne klare Ursache
Diese Symptome zeigen: Der Darm kann seine Funktionen nicht mehr vollständig erfüllen – Nährstoffaufnahme, Entgiftung und Barriereschutz sind gestört.
Sekundäre Symptome. Diese Symptome sind Folge des geschwächten Immunsystems und der gestörten Darmbarriere. Sie treten an ganz anderer Stelle auf – und genau deshalb wird die Verbindung zum Darm oft nicht erkannt.
- Häufige Infekte, verzögerte Wundheilung
- Hautprobleme, Juckreiz, Ekzeme oder allergische Reaktionen
- Übergewicht trotz angepasster Fütterung
- Hormonelle Dysbalancen (z. B. bei Stuten, EMS, Cushing-Verdacht)
- Verhaltensänderungen, Antriebslosigkeit oder Reizbarkeit
- Auffälliges Fressverhalten – z. B. das Lecken an Erde, Holz oder ungewöhnlichen Pflanzen
Wer nur die Symptome bekämpft, übersieht oft das, was darunter liegt – stille Entzündungen, ein überfordertes Immunsystem, ein gestresster Darm, unausgewogene Fütterung oder Umweltbelastungen.
Der Körper deines Pferdes ist kein Baukastensystem. Verdauung, Immunsystem, Haut, Verhalten,... – alles greift ineinander. Wenn an einer Stelle etwas aus dem Gleichgewicht gerät, wirkt sich das auf das Ganze aus.